Pressekonferenz 25.03.2021 - Ländlicher Raum im Trend

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Der ländliche Raum braucht Hilfe ­– Nur ein radikaler Wandel schützt gegen den Abwärtstrend

vtw gibt besorgniserregende Lagebeschreibung: Leerstand steigt auf 10,7 Prozent +++ Mietniveau zu gering für Investitionen +++ Paradigmenwechsel erforderlich: proaktiv statt reaktiv +++

Erfurt. Der Verband Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V. (vtw) mahnt einen Paradigmenwechsel zur Entwicklung des ländlichen Raumes an. Verbandsdirektor Frank Emrich betont: „Wir brauchen für Thüringen eine ganzheitliche Strategie mit ressortübergreifenden Handlungskonzepten auf Basis konkreter Zahlen, Daten und Fakten. Nur so lässt sich der aktuelle Teufelskreis durchbrechen und die Attraktivität ländlicher Gebiete sicherstellen.“

Obschon die Corona-Krise den ländlichen Raum verstärkt als interessanten Wohnstandort in den Fokus gerückt hat – vor der Pandemie gestaltet sich die Lage in kleineren Städten und Gemeinden des Freistaates zunehmend dramatisch. Und alle Zeichen deuten auf Verschärfung der Situation. Tendenziell wächst vor allem der Leerstand katastrophal. Insgesamt standen Ende 2020 rund 23.200 Wohnungen bei den vtw- Mitgliedsunternehmen leer. In den drei Städten Erfurt, Jena und Weimar lag die Leerstandsquote bei 3,5 %, aber auf dem Land stieg sie im Jahr 2020 trotz zahlreicher Rückbauten auf 10,7 % (20.300 Wohneinheiten).

„Dieser Prozess wird sich in den nächsten Jahren unweigerlich fortsetzen“, warnt Frank Emrich. „Denn mehr als die Hälfte der leerstehenden Wohnungen wird nie wieder bewohnt werden.“ Im ländlichen Raum sind derzeit gut 2.600 Wohnungen unmittelbar für den Abriss vorgesehen (13 % des Leerstandes). Für weitere gut 8.000 Wohnungen (40,3 % des Leerstandes) gibt es in absehbarer Zeit keine Nachfrage mehr.

Um das ganze Dilemma deutlich zu machen, genügt ein Blick auf die Mieten. Die durchschnittliche Miete im Bestand der vtw-Unternehmen im ländlichen Raum betrug 2019 lediglich 4,87 Euro je Quadratmeter (Jena-Weimar-Erfurt gesamt bei 5,54 Euro, Thüringen gesamt bei 5,08 Euro). Selbst die Neuvertragsmieten liegen zu 87 Prozent unter 6,00 Euro je Quadratmeter (Jena-Weimar-Erfurt gesamt bei 55 Prozent, Thüringen gesamt bei 76 Prozent).

Verbandsdirektor Frank Emrich: „Mit diesen geringen Mieteinnahmen lässt sich gerade einmal die notwendige Grunderhaltung der Wohnung sicherstellen. Übertrieben gesagt: Das Dach wird geflickt, die Wohnung bleibt trocken. Keinesfalls kann davon aber die Wohnung im erforderlichen Maße instandgehalten oder gar modernisiert werden.“ So setzt sich ein Teufelskreis in Gang: Weitere Abwanderung – zu niedrige Mieten durch geringe Nachfrage – zu wenig Mittel für attraktive Wohnungen – noch geringere Nachfrage.

Der bevorstehende zweite Sanierungszyklus, politisch gewünschte energetische Maßnahmen, berechtigte Qualitätsansprüche der Mieter, stetig steigende Baukosten und vorhandene Bestandskredite aus den 1990er Jahren bereiten den Verantwortlichen der Wohnungsunternehmen im ländlichen Raum zusätzlich große Sorgen. Damit sie Investitionen zukunftssicher gestalten können, sind sie daher auf strukturelle Hilfe angewiesen. Über die Förderung des Jahres 2020 hinaus ist nach Berechnungen des vtw ein zusätzlicher Baukostenzuschuss zwischen 310 und 510 Euro je Quadratmeter nötig.

„Doch das Wohnen allein zu fördern reicht nicht“, so vtw-Direktor Frank Emrich. „Der ländliche Raum muss in seiner Gesamtheit attraktiver werden. Es müssen Entwicklungsimpulse gesetzt statt Abwanderungsgründe geschaffen werden.“ Konkret fordert der Verband vor allem eine Stärkung der öffentlichen Infrastruktur als dem zentralen Ermöglicher. Das betrifft neben Verkehr und ÖPNV auch Bildung, Handel, Medizin und Telekommunikation. Die Dringlichkeit und Komplexität der Aufgabe erfordern ein koordiniertes Vorgehen, die Integration einer Vielzahl von Akteuren mit unterschiedlichen Interessen sowie die Veränderung von Strukturen und Handlungsmustern.

Die Menschen vor Ort brauchen Kompetenzen, Budgets und das Gefühl ernst genommen zu werden.“, so Frank Emrich abschließend. Die Thüringer Wohnungswirtschaft steht als Impulsgeber und Partner bereit und fordert alle Protagonisten zum gemeinsamen Tun auf – es ist an der Zeit!
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