KenFM - Standpunkte (30.12.2020) - Lockdowns & der Ausverkauf des Mittelstandes - Christian Kreiß

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Am 21.12. lautete die Überschrift eines Wirtschaftsartikels: „Insolvenzen: In der Eurozone droht der große Ausverkauf – China wird profitieren“. Weiter hieß es: „Während China seine Wirtschaft wiederbelebt, droht in der Eurozone eine Insolvenzwelle unbekannten Ausmaßes. China könnte schon bald auf eine „große Einkaufstour“ in der Eurozone gehen […] Währenddessen wird in Chinas Clubs und Bars ausgelassen gefeiert – ohne Mundschutz und Abstandsregeln.“(1) Nicht alle sind also unglücklich über eine Insolvenzwelle in Europa, im Gegenteil. Das gilt nicht für chinesische Konkurrenten, sondern für alle Konzerne und Fonds, die auf hohen Cash-Beständen sitzen. Und es gibt momentan einige, die über extrem hohe Liquiditätsbestände verfügen. Denn in allen Krisen gilt: Cash is king.

Durch die europäischen und weltweiten Lockdowns schrumpfte die Wirtschaft des Euroraums in den ersten drei Quartalen 2020 um 7,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr.(2) Dabei gilt für die einzelnen Länder: Je strenger die Lockdowns waren, desto schlimmer war der Wirtschaftsabsturz. Für das vierte Quartal wurden die Prognosen für die Eurozone wegen der zweiten Lockdownwelle von führenden Wirtschaftsforschungsinstituten vor Kurzem um 4,9 Prozentpunkte nach unten korrigiert. Statt eines Wachstums von 2,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal soll die Euro-Wirtschaft nun um 2,2 Prozent zurückgehen. Man sieht daran gut die erneut dramatische Auswirkung von Lockdowns auf die Wirtschaftsleben. Für das erste Quartal 2021 wird wegen der Lockdowns jetzt nur noch ein sehr schwaches Wachstum von 0,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal erwartet.(3) Daher ist es kein Wunder, dass viele Experten für den Euroraum 2021 mit einer Pleitewelle und Bankproblemen rechnen.

Die deutsche Wirtschaft sackte in den ersten neun Monaten 2020 gegenüber dem Vorjahr um 5,8 Prozent ab.(4) Unsere Exporte sanken in den ersten 10 Monaten um über 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr.(5) Sie sollen im Gesamtjahr um 13 Prozent sinken. Der ifo-Index, häufig ein guter Konjunkturindikator, lag im Dezember 2020 mit 92,1 etwa 3,5 Prozent unter dem Vorjahreswert von 95,5 und zeigt damit selbst von dem momentan stark gedrückten Wirtschaftsniveau ausgehend nicht gerade einen kräftigen Wirtschaftsaufschwung an.(6) Durch den zweiten harten Lockdown seit November wird unsere Wirtschaft erneut stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Experten rechnen mit einer Insolvenzwelle, v.a. bei Selbständigen, kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland.

Lockdowns und Mittelstand

Kleine und mittelgroße Unternehmen stellen bei uns über 71 Prozent aller Arbeitsplätze. Ende Oktober, vor den jüngsten, staatlich verordneten Einschränkungen, hieß es bereits, die Corona-Lockdowns gefährdeten mehr als eine Million Arbeitsplätze bei mittelständischen Firmen. Vor allem das Gastgewerbe und Freiberufler kämpften ums Überleben. „Bis zum Jahresende 2020 könnte es zu einem Verlust von etwa 1,1 Millionen Arbeitsplätzen kommen“, sagte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib Ende Oktober, noch vor der zweiten Lockdown-Welle. „Trotz der Erholung im dritten Quartal sind die Geschäftserwartungen für 2020 historisch schlecht.“ Für 2020 rechnete laut einer KfW-Umfrage vom September mehr als jedes zweite Unternehmen mit einem Umsatzrückgang. Insgesamt könnten die Erlöse demnach um 545 Milliarden Euro einbrechen.(7) Der Bundesverband der Freien Berufe sah bereits im Oktober viele Freiberufler in einer Notlage: Jeder zweite Freiberufler war demnach stark oder sehr stark von den Folgen der Corona-Lockdowns betroffen. Gerade junge und kleine Unternehmen seien sehr angeschlagen.(8)

Seit der zweiten Lockdownwelle im Spätherbst hat sich die Lage weiter verschlechtert.(9) Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sagte im Dezember für die Arbeitsgemeinschaft Mittelstand, Finanzpolster, die manche Unternehmen in vielen Jahren aufgebaut hätten, seien in kürzester Zeit zusammengeschmolzen. „Für viele Betriebe geht es um die Existenz“.(10)

Das Gastgewerbe wurde durch die Lockdowns in die größte Krise der Nachkriegszeit gestürzt. „Verluste und Insolvenzen werden im Januar so reichlich rieseln wie die trockenen Nadeln vom Weihnachtsbaum“, hatte kürzlich der Berliner Spitzenkoch Tim Raue gesagt.(11) Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) warnte bei Beginn des zweiten Lockdowns, „Zehntausenden Unternehmen drohe ohne umfassende finanzielle Hilfen die Pleite. […] „Durch den zweiten Lockdown wird ein Drittel der 245.000 Betriebe den Winter nicht überstehen. Ohne umfassende Entschädigungshilfe droht ihnen die Pleite““ sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges.(12) Laut der Wirtschaftsauskunftei Crif Bürgel waren bereits Ende Oktober 14,5 Prozent der untersuchten Restaurants, Gaststätten, Imbisse und Cafés in Deutschland insolvenzgefährdet.

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