Das große Welttheater: Von der Macht der Vorstellungskraft in Zeiten des Umbruchs - Dr. Philipp Blom

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Zu diesem umfangreichen Thema lud Matthias Vavra vom BSA den Autoren und Historiker Dr. Philipp Blom zu einem ausführlichen Gespräch. Der Titel entspricht dem eines Essays, welchen der Journalist auf Einladung der Intendanten der Salzburger Festspiele verfasste. Wir Menschen operieren mittlerweile mit Begriffen, die nicht mehr hilfreich sind: beispielsweise wurde jedes Problem auf ein Marktproblem zurückgeführt – und während Corona haben wir gemerkt, dass der Markt viele Fragen gar nicht beantworten kann. Künftig wird es wichtig sein, nicht nur neue Gesetze und Steuern zu erfinden, sondern wir alle müssen grundsätzlich anders handeln wollen. Theorien müssen in der Praxis erlebbar gemacht werden – auf künstlerischen, wie auch auf metaphorischen Bühnen.


Unser Gesellschaftssystem befindet sich in einer Omega-Phase: viele Krisen stehen vor der Tür, und wir reagieren (wie oft auch in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Unternehmen) so darauf, dass wir noch mehr von dem tun, was wir bisher getan haben, anstatt unser Handeln anzupassen und zu verändern; statt tatsächlich Co2 einzusparen legen wir Co2-Zertifikate auf und handeln damit. Große Veränderungen sind politisch schwer umsetzbar – wobei immer mehr Menschen mittlerweile merken, dass etwas im Argen liegt. Somit erhöht sich die Chance, dass sie veränderungsbereiter werden. Wobei die neuen Antworten auch von Trump oder von Faschisten kommen können und entsprechend nicht unbedingt besser bzw fortschrittlicher sein müssen.


In seinem Buch "Die Welt aus den Angeln" beschreibt Blom die Folgen der Kleinen Eiszeit, in der es in Europa bis zu 2 Grad kälter war, als heute. Die große Eiszeit vor 30000 Jahren weist zu heute auch „nur“ einen Temperaturunterschied von 3,5Grad auf – entsprechend kann man sich vorstellen, was 2 Grad Erderwärmung für Auswirkungen haben können. Die kleine Eiszeit führte zu sozialen Unruhen und Hungersnöten, die Organisation der Landwirtschaft veränderte sich drastisch. Die Menschen reagierten darauf zuerst mit religiösen Buß-Gesten und massiver Hexenverfolgung; in diese Zeit fiel aber auch die Geburtsstunde der modernen Wissenschaft und es kam zu einer starken Zunahme des internationalen Handels. Dieser intellektuelle Paradigmenwechsel führte zu starken gesellschaftlichen Veränderungen: Städte gewannen immer mehr an Bedeutung. Heute stehen wir vor einem ähnlichen Wechsel: die reine Marktwirtschaft hat keine effizienten Lösungen, was man sowohl bei Corona, als auch bei der weltweiten Umweltzerstörung sehen kann. Viele Menschen identifizieren sich heute über ihr Konsumverhalten – und wenn dieses den neuen Gegebenheiten angepasst werden muss, wird das auch die eigene Identität betreffen.


Für manche Philosophen ist die einzige Freiheit des Menschen, die eigenen Grenzen festzulegen. Diese müssen angesichts der bevorstehenden Katastrophen intelligent angepasst werden, so Blom, damit der „Krieg gegen die Zukunft“ endlich beendet wird. Der menschgemachte CO2-Ausstoss, der in den letzten 50 Jahren von 15 auf 35Mrd Tonnen pro Jahr explodiert ist, müsse endlich effektiv eingeschränkt werden.


Corona hat gezeigt, dass die Zeit für ein Grundeinkommen reif ist. Im Endeffekt gibt es den Vorläufer schon lange: denn nur etwa zwei Millionen Österreicher können bei der Einkommensteuer als Nettozahler bezeichnet werden. Die Mehrheit profitiert schon von einer gesellschaftlichen Umverteilung. Die Digitalisierung wird mit ihren beruflichen Auswirkungen die Notwendigkeit eines Grundeinkommens nochmals erhöhen. Die Produktivität steigt weiterhin (und damit auch der Gewinn), nur wird die Arbeit nicht mehr von Menschen gemacht. Millionen arbeitslose Bittsteller, die sich als Versager fühlen, sind in einem reichen Land weder gesellschaftlich noch moralisch tragbar.

Im weiteren Gesprächsverlauf werden viele interessante Themen zur Arbeitswelt, zum technologischen Wandel, zu einer funktionierenden nachhaltigen Wirtschaft und zum Konsum(verzicht) besprochen. Gerade die nachhaltige Wirtschaft wäre für ein Land wie Österreich eine herausragende Chance, weltweit Vorreiter des Wandels zu sein. Die notwendige Einstellung dafür - sowohl von politischer, als auch von wirtschaftlicher Seite - scheint aber noch nicht bei den Menschen gereift zu sein.



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