23. Zwischenruf: Erich Marks im Gespräch mit Dr. Andreas Armborst

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23. Zwischenruf: Erich Marks im Gespräch mit Dr. Andreas Armborst
„In Zukunft sollten wir besser auf eine Form der Kriminalprävention zu Zeiten eines Notstandes vorbereitet sein“





In der aktuellen Krise stellen sich auch in der Gewalt- und Kriminalprävention drängende Fragen. Der Deutsche Präventionstag bietet mit den DPT-Zwischenrufen prominenten Fachvertreter*innen eine Stimme.

Die Audioaufzeichnungen der von Erich Marks geführten Expertengespräche können Sie auf der Seite des Deutschen Präventionstages abrufen: https://www.praeventionstag.de/go/zwi...

https://www.praeventionstag.de




Auszug der Textfassung:

Zum heutigen Zwischenruf begrüße ich am Telefon den international ausgewiesenen Soziologen und Kriminologen Dr. Andreas Armborst. Seit Gründung im Jahr 2015 leitet Herr Armborst das Nationale Zentrum Kriminalprävention (NZK), ein von der Bundesregierung finanzierter Fachdienst für Kriminalpolitik und Kriminalprävention mit Sitz in Bonn.

Herr Armborst, ich begrüße Sie herzlich, danke Ihnen für Ihre Bereitschaft zu diesem Zwischenruf und darf Sie zunächst fragen, welche Herausforderungen für die Gewalt- und Präventionsarbeit Ihnen vor dem Hintergrund der Corona-Krise besonders wichtig erscheinen

Die COVID Pandemie ist ein Stresstest für unsere Gesellschaft.
Die erste Priorität in den vergangenen zwei Monaten galt natürlich der Eingrenzung dieser tödlichen Pandemie. Dafür mussten Bund und Länder zu außergewöhnlichen Maßnahmen greifen, die das private und öffentliche Leben fast aller Menschen gründlich auf den Kopf gestellt hat.
Die Herausforderungen für die Kriminalprävention rühren in erster Linie gar nicht so sehr aus der gesundheitlichen Bedrohung oder einem drohenden Staatszerfall, so wie man das aus Endzeitfilmen kennt. Der Kampf Aller gegen Alle ums nackte Überleben ist ausgeblieben, oder beschränkte sich bezeichnenderweise auf Klopapier.
Es sind eher die sekundären Folgen der Pandemie, die sich auf Kriminalität und Kriminalprävention auswirken. Die Pandemie verändert im großen Stil kriminelle Gelegenheitsstrukturen, d.h. wer, wann, wo, wie oft und in welcher Situation aufeinandertrifft.
Ganz alltägliche Gegenstände, wie Desinfektionsmittel und Atemmasken werden plötzlich zu begehrter Schwarzmarktware.
Ladendiebstähle, Wohnungseinbrüche und Gewalt im öffentlichen Raum gehen zurück dafür steigen vielleicht Betrugsfälle, Fälle häuslicher Gewalt und Fälle von Kindesmissbrauch.
Wir können gerade die Theorien aus der Kriminologie, wie z.B. die Situational Action Theory oder Situational Crime Prevention, live mitverfolgen.
Und diese Beobachtungen zeigen uns auch ganz deutlich die Grenzen dessen auf, was wir mit Kriminalprävention überhaupt erreichen können. Hier wirken gerade ganz andere gesellschaftliche Kräfte. Vielleicht stellt sich heraus: Homeoffice ist der beste Einbruchschutz. Homeoffice ist wirksamer als alle Maßnahmen gegen Wohnungseinbruch zusammengenommen.
Das bedeutet natürlich nicht, dass wir in der Prävention die Füße hochlegen sollen.
Durch COVID-19, bzw. durch die staatlichen Maßnahmen zu dessen Eindämmungen, treten außerdem alte Herausforderungen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität heute noch stärker in den Vordergrund. Zu den Problemen zählen der Glaube an Verschwörungstheorien, politischer Zynismus und Extremismus. Auch hier zeigt sich, wie schnell z.B. die politische Bildung angesichts ungewöhnlicher Ereignisse an ihre Grenzen gerät.

Was ist in diesem Zusammenhang die Rolle des Nationalen Zentrums Kriminalprävention?
Das NZK steht für die Idee der sogenannten Evidenzbasierten Prävention. Evidenzbasiert bedeutet, dass die Wirkung einer Präventionsmaßnahme durch Evaluationsstudien wissenschaftlich belegt ist.
Zusammen mit dem Deutschen Städtetag haben ganz aktuell eine Broschüre mit ganz konkreten Empfehlungen herausgegeben, wie Kommunalpolitiker und Verwaltungsangestellte mit Hass und Bedrohung umgehen können. Gerade jetzt wo der Frust bei vielen Menschen über Einschränkungen und Kontaktverbote verständlicherweise sehr groß ist, kann es wieder verstärkt zu Anfeindungen gegen Kommunalpolitiker, Rettungskräfte und Verwaltungsangestellte kommen. Selbst medizinisches Personal wird zur Zielscheibe von Hass und Bedrohung. Unsere Broschüre enthält polizeiliche Empfehlungen, Angebote für psychologischen oder juristischen Beistand, und Möglichkeiten Hasskommentare im Internet löschen zu lassen.
Das NZK erstellt außerdem gerade einen aktuellen Bericht, der zeigt welche Ansätze zur Prävention von sexuellen Kindesmissbrauch eine nachweisbare Wirkung für den Schutz von Kindern haben. Die schlechte Nachricht vorweg: viele der Strukturen und Angebote zum Schutz von Kindern gegen sexuelle Gewalt fallen gerade weg. Was man im Moment tun kann, ist im eigenen Umfeld auf auffällige Veränderungen bei Kindern zu achten, und Kindern in einem geschützten Raum die Möglichkeit geben sich anzuvertrauen. In manchen Fällen kann die „Nummer gegen Kummer“ helfen 11-61-11.
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